Ich will nicht mehr Fritz genannt werden

Erinnerungen an den Partisanen und Armeeaufklärer Fritz Schmenkel (16.2.1918 Warzewo – 22.2.1944 Мінск,

..aber ich kann meine Taten auch in meiner letzten Stunde nicht bereuen……., denn ich sterbe für eine gute Sache…” hinterließ der vom Kriegsgericht beim Kommandierenden der Sicherungstruppen und Befehlshabers über das Kommissariat Weißrutheniens am 15.2. 1944 zum Tode verurteilte Wehrmachtsgefreite Fritz Schmenkel auf einem Notizzettel am Vorabend seiner Hinrichtung dem Anstaltspfarrer Eberhard Müller für seine Ehefrau Erna Schmenkel.                                                                                                                               Die amtliche Nachricht von der Vollstreckung des Urteils im Hof des damaligen Gefängnis- hofes der “Besatzungsmacht” des Kommissariats Weißrutheniens erreichte sie vermutlich aufgrund einer Verwechslung der Justizbehörden erst im April 1944.                                     Mit dieser hatte sie sich zu begnügen. Ein Bestattungsort war nicht angegeben.     

Fritz Schmenkel hatte seine Ehefrau zu ihrer Sicherheit und der drei Kinder über seinen Übertritt im November/Dezember 1941 im Raum Wjasna, einem Frontabschnitt in Belarus, wo er in der 274. Abteilung des 4. Artillerie Regiments  zunächst als vermisst geführt wurde, in Unkenntnis gehalten und ihr stattdessen eine Feldpostkarte zu ihrem Geburtstag geschickt.                                                                                                                                  Seinen Sohn Hans, der während der Haft wegen unerlaubtem Entfernens in Deutschland in der Gefangenenabteilung in Lomnice in zur Welt kam, hatte er nie zu sehen bekommen. 

Mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 trat er mit der Haftentlassung zur “Wiederherstellung seiner Wehrfähigkeit” die Flucht nach vorn an und meldete sich zur Bewährung zum “Russlandfeldzug”.                                                                                         Doch er bekam sie tatsächlich:  nach seinem Übertritt von der Partisanenabteilung “Tod dem Faschismus” und nach der Eingliederung der Partisanenabteilungen in die regulären Truppen von einer  Sonder – Abteilung der Armeeaufklärung für Hinterlandseinsätze.

Fritz Schmenkel wusste vor seiner Desertion trotz aller Entschlossenheit, des Lernens einiger Russisch – Vokabeln und Einprägen von topografischen Fakten nicht, ob und wer ihm, dem Wehrmachts – Gefreiten, ohne Schulterstücken und Reichsadler, eine Chance geben würde.

Fritz Schmenkel ahnte, dass es seiner Frau und den Kindern in Deutschland mit Ehemann und Vater als “Vaterlandsverräter” schlecht ergangen sein muss.                                              Das wog auch kein 2 Jahre langes Führen im “Fahndungsbuch des Deutsches Reiches”, kein Steckbrief mit Auslobung von Haus, Kuh und Land, Fünfzigtausend Mark bzw. Sonderurlaub……auf.                  Der Kriegsberichterstatter Boris Polewoi erhielt aus Rücksicht auf Schmenkels Familie in Deutschland vom Kommando zunächst keine Zusage, das im Winter 1942 mit “Partisan Genosse S.” geführte Interview zu Lebzeiten von Fritz Schmenkel zu veröffentlichen.              Vielleicht lag das alles Fritz Schmenkel mit dem selbstgewählten Namen Iwan Iwanowitsch (“Ich will nicht Fritz gerufen werden”) beim Verfassen seiner letzten Zeilen auf der Seele:                                 “….Verzeiht mir den Kummer, den ich Euch zugefügt habe, weil ich den von mir selbst gewählten Weg bis zum Ende beschritten habe.

Der Maxime Adolf Hitlers aus “Mein Kampf” –  “Der deutsche Soldat kann sterben, der deutsche Deserteur muss sterben!”- folgten verschiedene Versuche, Erinnerung und Vermächtnis deutsche Patrioten zu diskriminieren, zu verleumden und ungeschehen zu machen, begonnen bei Drohungen und Repressalien bei Angehörigen, so auch bei der Witwe Erna Schmenkel.                                                                                                            Erst ein Zufall gab Erna Schmenkel 1952 die Gelegenheit, mit dem damaligen Anstalts- pfarrer von 1944 in Verbindung zu treten und auf ihre Art Trauerarbeit zu leisten.                  1964 erhielt sie in der Berliner sowjetischen Botschaft aus Anlass des 25. Jahrestages der Gründung der DDR aus den Händen Breshnew die Ernennungsurkunde ihres Mannes zum “Helden der SU”  

Ein ermittlungsführender KGB Offizier eines Strafprozesses im Moskauer Militärbezirk gegen einen Kollaborateur in der UdSSR von 1962, durch das der Partisan Fritz Schmenkel wegen Führung eines Trupps zur Abwehr von Straf – und Vergeltungsmaßnahmen der deutschen Besatzung gegen die Zivilbevölkerung bekannt wurde, hatte damals seine Ehrung als “Held der UdSSR” angeregt.                                                                                  1964 wurde in Plauen, wohin es die Familie Schmenkel unmittelbar nach Kriegsende verschlug, auf Veranlassung des MfS der erste Erinnerungsort in der DDR geschaffen. 

Abgesehen von staatlichen Beschlüssen zur Pflege von Traditionen und Erinnerungen an die Kapitulation von Hitlerdeutschland und den damit verbundenen Chancen für einen antifaschistischen Neubeginn, zu denen die Lebensleistungen von Fritz Schmenkel zählen, fanden sie nach 1989 in seriösen historischen Nachforschungen zum 2. Weltkrieg beispielsweise zu den Verbrechen in Weißrussland oder zum Widerstand in der Wehrmacht als Handeln aus Gesinnung durchaus Berücksichtigung.                        

Für die sächsische institutionelle Erinnerungskultur erschließt sich ein Zugang zu Fritz Schmenkel zur Herausbildung seiner Motivation, an der Seite der Partisanen bzw. der Roten Armee zu kämpfen, nicht. Wozu sich allein in Belorussland hunderte Deutsche und Angehörige anderer Völker entschieden.                                                                                  Stattdessen wurde 2021 und 2022 gerade am Beispiel von Fritz Schmenkel versucht, den Umgang in der DDR mit Opfern der NS – Militärjustiz mit staatlicher Förderung und Unterstützung der BStU einer neuen Wertung zu unterziehen und eine Indoktrination junger Menschen in der DDR bzw. den Aufbau eines “Mythos” unter den damaligen Schutz – und Sicherheitsorgane nachzuweisen.                                                                                       Solange sich eine 2021 aus Chemnitz überführte Plastik von Fritz Schmenkel vom Schulhof der damaligen Fritz Schmenkel – EOS KMStadt Siegmar befindet und eine Fritz Schmenkel Straße zum Alltag in Torgau gehört, sind neben anderen vielfältigen Formen des Erbes der DDR Erinnerungskultur somit auch derartige Sachzeugnisse vorhanden.                                2023 wurde auf dem Soldatenfriedhof Berjosa in Брэст mit Spendenmitteln einer Chemnitzer Initiativgruppe zur Erinnerung an Richard Sorge eine Grabplatte für Fritz Schmenkel gesetzt.                                                                                                                                                  Neulich war auf dem Youtube Kanal Hanika  “Gedanken im Zug – Zwischen Brest und Moskau (1975)” vom Dokumentaristen Karl Eduard von Schnitzer (1918 – 2001)zu sehen.      “Liebevoll” von seinen Gegnern wegen seiner politischen Beharrlichkeit auch als “Kanalarbeiter” bezeichnet und manchmal auch im gleichen Atemzug mit dem Journalistenpaar Scheumann und Heynowski (Studio H&S) genannt, hinterließ er mit diesem knapp 90 min dauernden Streifen sehenswerte Bilder von Land und Leute einiger Heldenstädte der UdSSR, darunter von Exponaten zu Fritz Schmenkel aus dem Belorussischen Staatlichen Museum der Minsker Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges.   

Fr. 21.02. 2025 Peter Blechschmidt                                                                                              Angehöriger der Wach – und Sicherungseinheit “Fritz Schmenkel K.- M.- Stadt 1972 -. 1974  

unter Verwendung von Archivrecherchen und Publikationen des Chronisten der Partisanenbewegung Theodor Gladkow von 1972 und 1983 sowie des DDR Schriftstellerehepaares Wolfgang und Barbara Neuhaus 

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